Entdecke Deine Natur im Coachingraum Natur

Stell dir vor, du stehst mitten in einem uralten, unberührten Wald. Die satten Grüntöne werden von sonnigem Gelbschattierungen durchdrungen. Ein Gebirgsbach rauscht über Steine und Felsen bergab, die Luft ist frisch und geschwängert von sattem Wald- und Blütenduft, der Wind trägt das Rascheln der Blätter zu dir, und irgendwo klopft ein Specht an einen Baum. Insekten fliegen dicht an deinem Ohr vorbei und das Summen klingt wie eine Melodie. Dein Atem vertieft sich, dein Körper entspannt sich – und plötzlich spürst du es: Du bist hier richtig. Hier, in der Natur, findest du nicht nur Antworten. Du findest dich selbst.
Die Natur ist nicht einfach nur eine schöne Kulisse für Coaching. Sie ist kein nettes Extra, kein anmutiger Hintergrund für Gespräche. Nein. Die Natur ist ein lebendiger Raum für wahre Transformation, ein Ort der Erinnerung an das, was wir sind. Wir kommen aus ihr. Wir sind Teil von ihr. Und wenn wir uns ihr wieder bewusst aussetzen, erinnert sie uns an das Wesentliche: an unser eigenes Tempo, an unseren ureigenen Rhythmus. An das, was in uns liegt und nur darauf wartet, wieder gehört zu werden.
1. Raus aus der digitalen Enge – rein in den Raum der Weite
Unser Alltag ist durchgetaktet, überbordend voll, digitalisiert und mit künstlicher Intelligenz unterfüttert. Wir hetzen von Termin zu Termin, lassen uns von Algorithmen vorschlagen, was wir lesen, hören oder fühlen sollen. Wir sind umgeben von Wänden – aus Beton, aus Glas, aus künstlichem Licht oder Wänden fiktiver „Realitäten“. Kein Wunder, dass so viele von uns sich erschöpft, entwurzelt oder verloren fühlen. Denn all das entspricht nicht unserer Natur. Wir sind nicht gemacht für starre Strukturen, für monotone Schreibtischwelten, digitale Dauererregung oder ein Leben im Autopilot.
Die digitale Welt oder künstliche Intelligenz bietet natürlich Vorteile. Das ist unbestritten. Wir werden beides für die Gestaltung unserer Zukunft brauchen, aber gemacht sind wir Menschen vor allem für Bewegung, für den Wind im Gesicht, für Waldboden unter den Füßen und Erde unter den Fingernägeln. Es braucht also ein gesundes, oder sollte ich sagen natürliches Gegengewicht zum oben beschriebenen Alltag. Eine Gegenbewegung, die ausgleicht und harmonisiert.
Die Natur ist ein Ort an dem diese Gegenbewegung stattfinden kann, denn sie ist ein Raum des natürlichen Erlebens mit Weite bis zum Horizont. Hier zählt nicht die Zeit, sondern der Rhythmus, den jeder in sich trägst. Hier geht es nicht darum, noch schneller zu werden, sondern darum, das eigene Tempo zu finden. Ein Tempo, das erlaubt, wirklich bei sich anzukommen. Es geht auch nicht darum noch mehr zu leisten, sondern die Wertungsfreiheit der Natur zu genießen. Hier geht es um das eigene Sein. Das Menschsein.
2. Die Weisheit der Naturvölker – Wir müssen nur erinnern
Wir Menschen sind Teil der Natur. Jahrtausende lang lebten wir in tiefer Verbindung mit der Erde, den Wäldern, den Flüssen und den Zyklen der Jahreszeiten. Erst seit wenigen Jahrhunderten haben wir uns schrittweise von diesem Urwissen entfernt. Doch diese Trennung ist eine Illusion. Die Natur ist nicht draußen – sie ist in uns.
Noch heute gibt es indigene Gemeinschaften auf der ganzen Welt, die in einer tiefen Harmonie mit der Natur leben. Sie betrachten sich nicht als getrennt von ihr, sondern als Teil eines großen, lebendigen Organismus. Anthropologische Studien zeigen, dass viele indigene Kulturen das Leben als einen Kreislauf begreifen, in dem der Mensch nicht Herrscher, sondern Hüter der Natur ist (Berkes, 2012).
Für diese Völker ist die Natur nicht nur eine Ressource, sondern Lehrmeisterin, Heilerin und Mutter. Rituale wie Visionssuchen (z. B. in indigenen Traditionen Nordamerikas), Schwitzhütten (wie bei vielen schamanischen Kulturen) oder stille Rückzüge in die Wildnis dienen nicht nur der persönlichen Entwicklung, sondern auch der tiefen Verbindung mit dem eigenen Wesen. Die Natur lehrt sie – und lehrt auch uns –, dass wir nichts hinzufügen müssen, um vollständig zu sein. Wir müssen nur erinnern.
3. Die Natur als Spiegel, Co-Coach und Mentor
Der Mensch ist evolutionär mit der Natur verwoben. Wilsons Biophilia-Hypothese aus dem Jahre 1984 beschreibt unsere angeborene Verbindung zur Natur. Diese Verbindung ermöglicht ein intuitives Erkennen von Symbolen, Bildern und Metaphern. Der direkte Kontakt mit der Natur aktiviert tief verankerte Muster in uns, die den Selbstreflexionsprozess unterstützen. Das bewusste Erleben der Elemente – Wind, Erde, Wasser, Feuer – öffnet neue Perspektiven und hilft, Antworten in uns selbst zu finden.
Die Natur hält uns den Spiegel vor – nicht als glatte Oberfläche, sondern als lebendige Metapher für unsere innere Welt. Wie oft stehen wir im Leben vor einem unüberwindbaren Berg, nur um beim Aufstieg festzustellen, dass der Weg sich mit jedem Schritt entfaltet? Wie oft fühlen wir uns wie ein Fluss, der in einem scheinbar ausweglosen Becken stagniert, bis wir erkennen, dass wir nur das Staumaterial überwinden oder einreißen sollten, damit ein erneutes Fließen entstehen kann. Die Natur spricht mit uns – immer. Wir müssen nur bereit sein, zuzuhören.
Und genau hier, in dieser unberührten Ursprünglichkeit, kann Coaching seine tiefste Wirkung entfalten. Denn es geht nicht nur darum, Lösungen für Probleme zu finden. Es geht um viel mehr. Es geht darum, wirklich hinzusehen. Sich selbst in der Natur zu erkennen und zu erfahren. Den Mut zu fassen, nicht nur über Veränderung nachzudenken, sondern sie zu leben. Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug.
Die Natur wirkt als Co-Coach und Mentor. Studien aus der Umweltpsychologie zeigen, dass der Aufenthalt in der Natur emotionale Regulation fördert und kognitive Blockaden löst (Kaplan & Kaplan, 1989). Die Natur spricht durch ihre Rhythmen, Formen und Prozesse und ermöglicht eine Reflexion, die viel tiefer geht als in geschlossenen Räumen. In der Natur kommen wir in Kontakt mit unserer eigenen Natur. Wir kommen wieder in Verbindung mit unserem Wesenskern und finden zurück zu unseren Wurzeln.
4. Der Coaching-Weg: Raus aus dem Alten, hinein ins Neue
Coaching in der Natur ist keine Methode, sondern eine innere Haltung. Es geht nicht darum, einfach draußen zu sein, sondern den eigenen Weg bewusst zu gehen – Schritt für Schritt. Sich auf ihn einzulassen, ihn zuzulassen und nicht erst loszulaufen, wenn man ganz sicher weiß, wo man rauskommt. Der Weg entsteht beim Gehen, wie Paulo Coelho sagt.
Wahre Transformation bedeutet, Altes loszulassen, wie die Natur im ständigen Zyklus des Werdens und Vergehens. Wahre Transformation bedeutet aber ebenso, Neues selbstwirksam zu gestalten, seine Ressourcen zu nutzen, seine Potenziale zu entfalten, aufzublühen und zu wachsen. Denn bei allen Übergangsprozessen vom Alten zum Neuen geht es ja nicht nur um das Loslassen bzw. das Vergehen, sondern auch um das Werden. Meist geht es im Coaching darum, ein bisschen ganzer zu werden und damit ein Stück mehr man selbst. Dahinter steckt ein klassisches Naturprinzip: „Stirb und Werde“, das jedem Übergang zugrunde liegt.
5. Bewegung im Außen – Wandel im Innen
Wandern und Gehen sind essenzielle Bestandteile des Coachings in der Natur. Durch die körperliche Bewegung entsteht sowohl emotionale als auch mentale Bewegung. Durch das Wandern im Außen entsteht ein Wandern im Innen. Aber viel eher könnte man schreiben: Durch das Wandern im Außen entsteht Wandeln im Innen. Dazu schreibt Pater Anselm Grün: „Das Wort „wandern“ hängt mit „wandeln“ zusammen. Beide stammen aus der Wurzel „wenden“. Wandern heißt: sich wiederholt wenden. Indem ich wandere, wandelt sich etwas in mir. Das Ziel der Verwandlung ist, dass ich mehr und mehr in meine einmalige und einzigartige Gestalt komme.“ [1]
Neurobiologische Forschung zeigt, dass rhythmische Bewegung wie Wandern die Verbindung zwischen den Gehirnhälften fördert und kreatives Denken stimuliert (Oppezzo & Schwartz, 2014). Beim Wandern entstehen also neue Perspektiven buchstäblich mit jedem Schritt. Besonders in herausfordernden Coaching-Prozessen unterstützt diese physische Bewegung den mentalen Wandel, das Durchschreiten innerer Blockaden und das Überwinden bisheriger Widerstände.
6. Die Natur als Raum für tiefe Transformation
Aufenthalte in der freien Natur zahlen voll und ganz auf Resilienzstärkung und persönliche Entwicklung ein, wie Studien belegen (Berman, Jonides & Kaplan, 2008), denn die Natur fordert. Sie ist nicht nur schön, sondern auch rau, unberechenbar und vor allem unbequem. Sie fordert uns auf, uns ihr anzupassen und sie anzunehmen wie sie sich gerade zeigt.
Begeben wir uns in den Coachingraum Natur, verlassen wir mit dem ersten Schritt unsere Komfortzone. Wachstumsprozesses finden genau dort statt, außerhalb unserer Komfortzone. Sie entstehen beim Durchschreiten eines noch unbekannten Terrains, dem Abenteuerland. Ein „Wünsch-Dir-was“, gibt es dort im Unbekannten nicht.
Ein Beispiel aus eigener Erfahrung sind Coaching-Hüttentouren. Ein solches Coaching in wilder, oft unberührter Natur, ist für viele ein Wagnis außerhalb der eigenen Komfortzone, ein Ausstieg auf Zeit. Dieses Abenteuer erhält aber noch einmal eine ganz besondere Qualität, wenn die äußeren Bedingungen widrig sind: Regen, Schnee, Hitze, rutschige Wurzeln, glatte Felsen, verschüttete Wege etc.
Gerade in Momenten der Erschöpfung, wenn der Weg länger dauert als geplant und jeder Schritt zur Achtsamkeitsübung wird, entsteht die tiefste innere Wandlung. Wer sich den Herausforderungen der Natur stellt, lernt nicht nur Durchhaltevermögen und Annahme, sondern wächst auch über sich hinaus. Die Frage, die die Natur dem Wanderer stellt ist: Bist du bereit, Deinen Weg wirklich zu gehen – mit all seinen Unwägbarkeiten und Entbehrungen?
In der Annahme dessen, was sich in der Natur zeigt und wie die Bedingungen nun einmal sind, steckt viel Kraft. Durch das Durchschreiten schwieriger Umstände im Außen, wird den Klienten eines klar: Sie sind für ihren Weg der Veränderung bestens vorbereitet, egal was kommen mag.
7. Waldbaden und die heilsame Wirkung der Bäume
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Coachingraums Natur, sind die wissenschaftlich belegten Effekte des “Shinrin Yoku” (Waldbaden). Sie zeigen, dass der Aufenthalt im Wald das Stresshormon Cortisol senkt, unser Immunsystem stärkt und das Wohlbefinden steigert (Park et al., 2010). Blutdruck und Puls können durch Waldaufenthalte gesenkt sowie die Herzratenvariabilität erhöht werden, was auf eine gesteigerte Entspannungsfähigkeit hindeutet. Die Zeit im Wald scheint sich auch positiv auf die Aktivität natürlicher Killerzellen im Körper auszuwirken. Dieser Effekt soll sogar mehrere Tage anhalten.[2] Unser Nervensystem schaltet im Wald ganz einfach auf Regeneration um.
Diese natürlichen Effekte unterstützen Coaching-Prozesse auf tiefgehender Ebene: Der Geist beruhigt sich, Klarheit entsteht, Weigerung und Blockaden lösen sich. Der Wald ist mehr als nur schöne Kulisse mit beruhigenden Düften und Geräuschen – er ist ein stiller Begleiter, der uns unbewusst unterstützt, stärkt und schließlich zu unseren Antworten führt.
Fazit: Coaching in der Natur - Rückkehr zum Wesentlichen
Coaching in der Natur ist eine Rückkehr zum Wesentlichen. Zu dem, was es bedeutet, ein Mensch zu sein – nicht als isoliertes Individuum, sondern als Teil eines größeren Ganzen.
Wir brauchen nicht mehr. Nicht mehr Konsum, nicht mehr Ablenkung, nicht mehr Geschwindigkeit. Wir brauchen weniger – aber tiefer. Wir brauchen echte Verbindung. Mit der Erde, mit uns selbst, mit dem großen Kreislauf des Lebens, mit unserem Menschsein.
Die Natur ist nicht nur ein Coaching-Raum – sie ist unser Ursprung, unsere Heimat, unser tiefster Spiegel. Sie ist der Raum, in dem Transformation nicht nur möglich, sondern unausweichlich ist. Wahrhaft und ehrlich, der eigenen Essenz entsprechend. Wenn wir zurückkehren zur Natur, dann kehren wir zurück zu uns. Alles, was wir suchen, ist längst in uns.
Quellen:
- Kaplan, R., & Kaplan, S. (1989). The Experience of Nature: A Psychological Perspective. Cambridge University Press.
- Wilson, E. O. (1984). Biophilia. Harvard University Press.
- Oppezzo, M., & Schwartz, D. L. (2014). Give Your Ideas Some Legs: The Positive Effect of Walking on Creative Thinking. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 40(4), 1142-1152.
- Berman, M. G., Jonides, J., & Kaplan, S. (2008). The Cognitive Benefits of Interacting with Nature. Psychological Science, 19(12), 1207-1212.
- Park, B. J., et al. (2010). The Physiological Effects of Shinrin-Yoku (Taking in the Forest Atmosphere or Forest Bathing): Evidence from Field Experiments in 24 Forests Across Japan. Environmental Health and Preventive Medicine, 15(1), 18-26.
- Berkes, F. (2012). Sacred Ecology. Routledge.
[1] Grün, Anselm: von gipfeln und tälern des lebens; Vier-Türme-Verlag, S. 57
[2] https://www.lwf.bayern.de/wissenstransfer/waldpaedagogik/208428/index.php?


